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Quellen:

flick affaere-ak analyse und kritik

Flick Affäre_U Leuschner

Flick-Affäre - Die besondere Pflege der Bonner Landschaft - DER SPIEGEL 4/1983 - 24.1.1983  

flick-amnestiegesetzBerlinOnline CHRONIK - 1983

 

Kohl hat kassiert, CSU und SPD haben kassiert - und die FDP sowieso.

Neue Ermittlungsakten in der Flick-Affäre um Spenden- und Schmiergelder belegen, wie Demokratie zur Lobbykratie entartet. Über Jahrzehnte hinweg hat der Flick-Konzern mit Bargeldzahlungen in die Meinungsbildung der westdeutschen Parteien eingegriffen. Kriminalbeamte durchsuchten im Januar 1983 Parteibüros in Wiesbaden und Frankfurt. Die unangemeldete Visite galt der FDP, aber der Skandal geht an jede einschlägige Bonner Adresse, SPD wie CDU und CSU. Den Schlüssel zum - so die "Süddeutsche Zeitung" - "Bonner Watergate" der Parteispendenaffäre liefert, wohl wahr, die FDP.

Die Fahndung galt der weiteren Beweissicherung im Verfahren gegen Bundeswirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorff und seinen Vorgänger Hans Friderichs "wegen des Verdachts der Vorteilsannahme".

 

Die Vorgeschichte des Skandals beginnt 1975

als ein "banaler Vorgang, dessen Grundmuster bis in das „letzte Dorf` der Bundesrepublik geläufig sein dürfte und einen Eckpfeiler kommunalpolitischer Korruption darstellt. Da politische Entscheidungen die Marktchancen einzelner Unternehmen und Branchen befördern oder behindern können, bemühen sich die Wirtschaftsakteure um gezielte Einflussnahme." (1) Der Flick-Konzern will rund eine Milliarde DM Steuern sparen, die nach dem Verkauf seiner Daimler-Benz-Anteile an die Deutsche Bank eigentlich fällig wären. Rettungsanker ist der Paragraf 6b des Einkommenssteuergesetzes. Danach muss ein Unternehmen einen Gewinn nicht versteuern, wenn es diesen für eine "volkswirtschaftlich förderungswürdige" Investition wieder ausgibt. Über die Förderungswürdigkeit entscheiden das Wirtschafts- und das Finanzministerium.

 Nach ersten Sondierungen reicht der Flick-Konzern seine ersten vier Anträge ein, den sog. "ersten Geleitzug". "Volkswirtschaftlich förderungswürdig" finden die

Flick-Manager den Kauf von Aktien des US-Chemiekonzerns Grace im Werte von 111 Mio. Dollar sowie Investitionen und Aktienkäufe für insgesamt 230 Millionen DM bei den Firmen Dynamit Nobel und Buderus.

 

Staatsaffäre, die in der Geschichte der Bundesrepublik ohnegleichen ist.

Der ehemalige Flick-Gesellschafter Eberhard von Brauchitsch, 56, einer der einflußreichsten westdeutschen Industriellen, soll im Gegengeschäft, unter anderem aus einer schwarzen Firmenkasse, mehrere Millionen an die Bonner Parteien, vor allem die ständig klamme FDP, gezahlt haben. Gestützt auf über hundert Aktenordner mit beschlagnahmten Papieren, darunter Brauchitsch-Notizen und Spendenquittungen, die der Flick-Buchhalter Rudolf Diehl penibel abheftete, messen die Staatsanwälte eine Staatsaffäre aus, die in der Geschichte der Bundesrepublik ohnegleichen ist. Mit Schmiergeldern, trickreichen Absprachen, mit Hilfe des kurzen Drahtes in die Ministerien und durch die Fürsprache gewogener Politiker sollen Brauchitsch und seine Helfer dem Münchner Milliardär Friedrich Karl Flick den Weg für ein Jahrhundert-Geschäft geebnet haben - die steuerfreie Wiederanlage des Erlöses aus dem milliarden-schweren Verkauf des Flickschen Daimler-Benz-Aktienpaketes.

 

„Die Pflege der politischen Landschaft“ zielte auf mehr als Steuerbefreiung

Niemals zuvor indes sind Einfluß und Wirkungsweise so präzise beschrieben worden wie von dem Flick-Lobbyisten von Brauchitsch - im Anwalt-Schriftsatz. Die Brauchitsch-Schutzschrift offenbart: Die Flick-Zentrale, die mehr als 100 Firmen im In- und Ausland mit einem Gesamtjahresumsatz von fast zehn Milliarden Mark dirigiert, beeinflußte mit Millionensummen nicht nur Bonner Entscheidungen über die Steuerbefreiung für die beim Verkauf der Mercedes-Aktien angefallenen Gewinne. Flick-Manager Brauchitsch und seine Helfer versuchten auch,

- mit Geldzahlungen den allgemeinen wirtschaftspolitischen Kurs

  von CDU, CSU, SPD und FDP zu beeinflussen,

- Politiker durch Geschenke, Spenden und durch Betreuung auf

  Auslandsreisen für ihre Zwecke gewogen zu machen,

- den Einfluß der Linken in FDP und SPD zu neutralisieren,

- die Karriere Flick-genehmer Nachwuchspolitiker zu forcieren und

- durch gezielte Spendenzahlungen innerparteiliche Flügelkämpfe zu entscheiden.

 

Jahrzehntelange Schmiergeldzahlungen

Die Flick-Affäre erhellte schlaglichtartig, wie sehr die etablierten Parteien am Tropf des Großkapitals hingen, wie unzureichend das 1967 erlassene Parteiengesetz hinsichtlich der Parteienfinanzierung war und in welch selbstherrrlicher Weise die Parteien glaubten, sich sogar über geltendes Recht hinwegsetzen zu können. Sie war auch deshalb exemplarisch, weil Flick-Chef Eberhard von Brauchitsch systematisch politische "Landschaftspflege" betrieben hatte, indem er sämtliche im Bundestag vertretenen Parteien mit "Spenden" bedachte - allerdings wohldosiert, und mit einer klaren Präferenz für Union und FDP.

Auch der alte Flick hatte seinerzeit wohldosierte politische "Landschaftspflege" betrieben: So unterstützte er 1932 die NSDAP mit 50.000 Reichsmark, um sich für den Fall eines Wahlsiegs Hitlers Gunst zu sichern. Zugleich gab er aber die zwanzigfache Summe für die Kampagne zur Wiederwahl Hindenburgs, für die industriefreundliche DVP und die katholische Zentrumspartei aus. Erst nach der Machtergreifung flossen die Flick-Millionen ausschließlich zur Unterstützung Hitlers, der NSDAP und der SS. 1937 trat Flick auch formell der NSDAP bei und durfte sich "Wehrwirtschaftsführer" nennen.

In den Anfängen der Bundesrepublik konnte als Faustregel gelten, daß die mitgliederstarke SPD sich überwiegend aus Beiträgen finanzierte, während Unionsparteien, FDP, DP und BHE vor allem von Zuwendungen der Wirtschaft lebten. Der Bankier und Adenauer-Intimus Robert Pferdmenges baute seit 1952 in allen Bundesländern Spendensammelorganisationen auf. Großspender zahlten direkt an die "Staatsbürgerliche Vereinigung", die in der Flick-Affäre endgültig als "Spendenwaschanlage" enttarnt wurde. Von den so gesammelten Geldern erhielt die Union mehr als die Hälfte und die FDP ein Drittel. Den Rest bekamen DP und BHE. Freilich flossen die Gelder nur bei Wohlverhalten: So ließ der "Bundesverband der Deutschen Industrie" 1961 der CDU-Bundesgeschäftsstelle den monatlichen Scheck über 100.000 Mark sperren, weil Adenauer gegen seinen Willen die D-Mark aufgewertet hatte. Die FDP bekam den Geldhahn zugedreht, als sie vor den Bundestagswahlen von 1953 der CDU die Wähler von rechts her abspenstig zu machen versuchte.

 

Verfassungsauftrag wurde 18 Jahre lang mißachtet

Eigentlich waren die Parteien schon seit 1949 durch Artikel 21 des Grundgesetzes verpflichtet, über die Herkunft ihrer Mittel Rechenschaft abzulegen. Die ebenfalls vorgeschriebene Ausführung dieser Bestimmung durch ein Bundesgesetz war aber über viele Jahre hinweg unterblieben - eine glatte Mißachtung der Verfassung durch die herrschenden Parteien, die wohl Gründe hatten, ihre Finanzquellen im Dunkeln zu halten. Auch das 1967 erlassene Parteiengesetz sorgte nicht für die nötige Transparenz. Es blieb üblich, größere Gelder für die Parteien zu kaschieren, indem man sie zunächst als Spenden an parteinahe Stiftungen und ähnliche "Spendenwaschanlagen" deklarierte. Das hatte zudem den Vorteil, daß die Spenden von der Steuer abgesetzt werden konnten, bevor sie dem eigentlichen Empfänger zuflossen.

 

Lambsdorff bekam 135.000 und Friderichs 375.000 Mark

Diese heimliche Korrumpierung der Parteien und des Staats war zum großen Teil scheinlegal und deshalb nicht justitiabel. Im Falle der FDP-Politiker Friderichs und Lambsdorff ging allerdings aus den Aufzeichnungen des Flick-Chefbuchhalters Diehl hervor, daß sie mehrfach erhebliche Summen Bargeld von Flick bekommen hatten, während sie in ihrer dienstlichen Eigenschaft als Wirtschaftsminister sukzessive die Steuerbefreiung für den Spender verfügt hatten. Bei Friderichs waren es insgesamt 375.000 Mark und bei Lambsdorff 135.000 Mark. Es lag somit nahe, den Tatbestand der Bestechung anzunehmen - auch wenn beide das Geld nicht zur persönlichen Bereicherung verwendet, sondern an ihre Parteien weitergeleitet haben sollten. Aus ähnlichen Gründen ermittelte die Staatsanwaltschaft zunächst auch gegen den damaligen Bundesfinanzminister Hans Matthöfer (SPD), der in der Flick-Buchhaltung unter dem Datum 30. Januar 1980 mit "wg. Matthöfer 40 000 Mark" auftauchte, nicht aber gegen den Oppositionsführer Helmut Kohl, der unterm selben Datum mit "wg. Kohl 50 000" vermerkt war.

 

Das politische Establishment ist empört über die Anklage

Die Bonner Politiker hatten sich derart an diese Praktiken gewöhnt, daß sie geradezu mit Empörung auf die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft reagierten. Lambsdorff und Friderichs versicherten ehrpusselig, selbstverständlich nicht bestechlich zu sein und sich nie persönlich bereichert zu haben. Die sozialliberale Bundesregierung bedauerte, daß erneut interne Vorgänge aus dem Justizbereich in die Öffentlichkeit gelangt seien. Dem CDU-Vorsitzenden Helmut Kohl fiel auf, daß hier vor allem solche Politiker in Schwierigkeiten gebracht werden sollten, die auf dem rechten Flügel ihrer Parteien stünden.

Die bizarrste Leistung bei der Wehklage über die verfolgte Unschuld vollbrachte CSU-Generalsekretär Gerold Tandler: Bei ihm kam "fast der Verdacht auf, daß hier bewußt oder unbewußt in einem anderen Bereich so gehandelt wird, wie's andere mit der Exekution von Schleyer und Ponto vorgenommen haben". Er verglich also die Verfolger von Lambsdorff und Co. mit Terroristen, was die Justiz umgehend zu einem Strafantrag wegen Beleidigung veranlaßte.

 

Untersuchungsausschuß und Anklage

So richtig brisant wurde die Flick-Affäre erst Ende 1982. Acht Wochen nach dem Sturz der Regierung Schmidt erschien der "Spiegel" mit weiteren Enthüllungen. Im Mai 1983 setzte der Bundestag einen Untersuchungsausschuß ein. Für die SPD gab es keine Gründe mehr, auf den kompromittierten Ex-Koalitionspartner Rücksicht zu nehmen. Die zuständige Staatsanwaltschaft brauchte deshalb auch nicht zu befürchten, von der nordrhein-westfälischen SPD-Landesregierung gebremst zu werden.

Ein Jahr später, am 29. November 1983, gab die Staatsanwaltschaft bekannt, daß sie gegen zwei Angestellte des Flick-Konzerns und drei FDP-Politiker Anklage erheben werde: Gegen den Flick-Bevollmächtigen von Brauchitsch und dessen Gehilfen Nemitz wegen fortgesetzter Bestechung, gegen Friederichs, Lambsdorff und Riemer wegen Bestechlichkeit. Die Verfahren gegen die übrigen Beschuldigten würden eingestellt. Der Bundestag hob am 2. Dezember1983 auf Ersuchen der in der Flick-Affäre wegen Bestechlichkeit ermittelnden Bonner Staatsanwaltschaft die Immunität des amtierenden Bundeswirtschaftsministers Lambsdorff auf. Als die Anklage gegen ihn zugelassen wurde am 27. Juni 1984 trat Bundeswirtschaftsminister Lambsdorff zurück.

 

Auch bei Kohls Aufstieg war Flick-Geld im Spiel

Als weiteres prominentes Opfer der Flick-Affäre gab am 25. Oktober 1984 der Bundestagspräsident Rainer Barzel seinen Rücktritt bekannt: Er hatte von Flick auf Umwegen über einen Beratervertrag 1,7 Millionen Mark erhalten, die ihn finanziell dafür entschädigen sollten, daß er zugunsten von Helmut Kohl auf den CDU-Parteivorsitz verzichtet hatte. - Der Weg Kohls an die Spitze der CDU war also gewissermaßen "von Flick freigekauft" worden, wie es der grüne Abgeordnete Jürgen Reents am 18. Oktober im Bundestag formulierte. Der amtierende Bundestagspräsident Stücklen (CSU) sah in dieser Feststellung allerdings eine Beleidigung und schloß Reents von der Debatte aus. Dem grünen Abgeordneten Joschka Fischer entfuhr daraufhin das berühmt gewordene Wort "Mit Verlaub, Herr Präsident, Sie sind ein Arschloch!", was Stücklen wenigstens halbwegs berechtigte, nun auch Fischer wegen Beleidigung auszuschließen.

 

Regierung Kohl scheitert mit Amnestiegesetz      

Im Juni 1983 scheitert der Versuch der CDU/ FDP-Regierung, politische Parteien mit steuerlich begünstigten gemeinnützigen Organisationen gleichzustellen. Auch mehrere Anläufe, ein rückwirkend geltendes Amnestiegesetz für Politiker und Parteispender im Bundestag durchzusetzen, misslingen. Nach diesen Misserfolgen weigert sich die Bundesregierung, dem Flick-Untersuchungsausschuss alle gewünschten Akten zur Verfügung zu stellen. Das Bundesverfassungsgericht beurteilt diese Praxis als verfassungswidrig. Die Akten müssen ausgehändigt werden. Auch 1984 scheitert die Regierung Kohl mit einem Amnestiegesetz.

 

Lambsdorff und Friderichs werden verurteilt - wegen Steuerhinterziehung

Der Flick-Manager von Brauchitsch bekam wegen Steuerhinterziehung zwei Jahre Gefängnis, die gegen Zahlung eine Geldbuße von 550.000 Mark auf drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurden. Lambsdorff und Friderichs wurden ebenfalls wegen Steuerhinterziehung zu Geldstrafen von 180.000 Mark bzw. 61.500 Mark verurteilt. Die Verurteilungen im Februar 1987 bezogen sich auf eher periphere Anklagepunkte.
 

Den Kernpunkt der Anklage - Bestechung bzw. Bestechlichkeit - sah die Strafkammer nicht als erwiesen an: Sicher bestehe "der nicht unerhebliche Verdacht", daß Lambsdorff und Friderichs zur Zeit ihrer Ministertätigkeit Zahlungen von Flick erhalten hätten. Ein direkter Zusammenhang dieser Zahlungen mit der Steuerbefreiung für Flick im Sinne einer "Unrechtsvereinbarung" sei aber nicht nachweisbar.