Wirtschaftsminister Guttenberg:  "Zum Trockenlegen des Sumpfes die Frösche beauftragt" - Großkanzleien als Gesetzgeber

 

Neues Gesetz  Guttenbergs Großkanzlei   07.08.2009   Von Heribert Prantl
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ttp://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/996/483443/text/print.html
Kein Vertrauen in die eigenen und vor allem teuer bezahlten Mitarbeiter? Bundeswirtschaftsminister Guttenberg hat das "Gesetz zur Ergänzung des Kreditwesengesetzes" von der britischen Großkanzlei Linklaters ausarbeiten lassen - und zwar komplett.        
Das Bundeswirtschaftsministerium gehört nicht gerade zu den kleinen und unscheinbaren Ministerien. Dort ist, sehr gut besoldet, sehr viel Sachverstand zu Hause. Minister Karl-Theodor zu Guttenberg scheint aber dem Sachverstand außer Hause sehr viel mehr zu trauen.
Das "Gesetz zur Ergänzung des Kreditwesengesetzes", das soeben im Entwurf für Furore sorgt, hat er komplett von der britischen Großkanzlei Linklaters ausarbeiten lassen. Linklaters ist eine globale Lawfirm, eine Rechtsfabrik mit 2400 Anwälten, Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern mit Dependancen in Deutschland. Im vergangen Jahr hat Linklaters die Großkanzlei Sullivan & Cromwell an der Spitze der Weltrangliste der Fusionsberater abgelöst. Linklaters' Anwälte waren an den größten Deals der Firmenwelt beteiligt. Weil die Zeit dieser Deals vorbei ist, beschäftigt sich die Großkanzlei jetzt mit den Folgen dieser Deals: Jetzt ist sie groß im Insolvenzgeschäft - so groß, dass sich der Wirtschaftsminister von ihr einen fertigen Gesetzentwurf schreiben lässt; es handelt sich nicht nur, wie ursprünglich verlautbart, um eine "Mitarbeit" der Kanzlei.
Das "Outsourcing" der Gesetzesproduktion ist in jüngerer Zeit durchaus Usus. Zuletzt hatte das Finanzministerium einen Rohling für das HRE-Enteignungsgesetz von der Kanzlei Freshfield ausarbeiten lassen. Aber bisher war es stets so, dass die Ministerien dies als Zuarbeit, als Arbeitsgrundlage verwendet haben. Dies wurde jedenfalls bei öffentlicher Kritik so behauptet. An der Nutzung externen Sachverstands ist im Grunde nichts einzuwenden, solange "die Legitimität beim Minister bleibt", so der Hamburger Professor Ulrich Karpen, Vorsitzender der Gesellschaft für Gesetzgebung. Das heißt: der Rohling darf nicht einfach als fertiger Text übernommen werden.

Kaschieren? Warum denn?
Dies ist aber offensichtlich beim Guttenberg'schen Kreditwesengesetz geschehen; das Ministerium hat sich nicht einmal bemüht, das zu kaschieren. Auf dem Text, der den anderen Ministerien zugeleitet wurde, steht nicht nur "Entwurf, Stand 27. Juli 2009", sondern auch auf jeder der 28 Seiten oben das Signum "Linklaters". Der Text ist anscheinend eins zu eins weitergeleitet worden. Das ist ein neues Kapitel im Buch "Großkanzleien als Gesetzgeber".

Pikant ist die Geschichte auch deshalb, weil das Wirtschaftsministerium für die fertige Ausarbeitung des Gesetzes gar nicht zuständig ist. Federführend ist das Justizministerium. Das Bundeskabinett hat allerdings nach den Querelen um die Verstaatlichung der HRE-Bank das Justiz- und das Wirtschaftsministerium beauftragt, miteinander ein Konzept für die Pleiten von systemrelevanten Banken zu erarbeiten. Das Miteinander hat sich nicht fruchtbar gestaltet; es gab Kommunikationsprobleme. Das Justizministerium arbeitet zur Reform des Insolvenzrechts an einem Konzept, das ein "privatautonomes Planverfahren" mit privaten Verwaltern vorsieht. Die Details werden von jungen Spezialisten ausgearbeitet, die das Ministerium eingestellt hat.
Das Wirtschaftsministerium hat den Auftrag an Linklaters' Anwälte weitergegeben. Deren Entwurf sieht ein Verfahren vor, in dem Verwaltungsbehörden das Sagen haben - an der Spitze die Bafin, die allerdings schon mit ihren bisherigen Zuständigkeiten recht ausgelastet ist. Vor zehn Wochen lag ein erster Entwurf vor. Der nunmehrige zweite unterscheidet sich vom ersten vor allem dadurch, dass er offiziell als "Linklaters"- Entwurf firmiert.

 

Guttenberg lässt Gesetz von internationaler Großkanzlei schreiben    8.8.09
Internet-Law Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0  jura-blog von Thomas Stadler, Fachanwalt für IT- Recht und für Gewerblichen Rechtsschutz auf JuraBlogs (http://www.jurablogs.com/)
http://www.internet-law.de/2009/08/guttenberg-lasst-gesetz-von.html
Bundeswirtschaftsminister zu Guttenberg hat das "Gesetz zur Ergänzung des Kreditwesengesetzes" nach einem Bericht der Süddeutschen Zeitung vollständig von der Anwaltskanzlei Linklaters ausarbeiten lassen. Offenbar wurde der Entwurf der Kanzlei auch mehr oder weniger unverändert übernommen.
Auch wenn die Gesetzgebung an sich Sache des Parlaments ist, entspricht es der Üblichkeit, dass ein erheblicher Teil der Gesetzesentwürfe von der Ministerialbürokratie verfasst werden. Dass man sich dafür auch externer Unterstützung bedient, ist zwar nicht neu, scheint aber in letzter Zeit zuzunehmen. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, wer eigentlich die Fäden zieht, die Ziele definiert und die Entscheidungen trifft. Dass die Hypo Real Estate gerettet wurde, weil Josef Ackermann und andere Top-Akteure der Finanzwirtschaft der Bundesregierung eingeredet haben, dass andernfalls der Zusamenbruch des europäischen Bankensystems bevorgestanden hätte, passt in Zeiten der Finanzkrise ebenso ins Bild, wie dieses Vorgehen des Wirtschaftsministeriums.
Jeder Jurastudent hat die sog. Wesentlichkeitstheorie vermittelt bekommen, die als Ausfluss des Demokratieprinzips besagt, dass der Gesetzgeber die wesentlichen Entscheidungen zu treffen hat. Die tatsächliche Situation könnte von der staatsrechtlichen Theorie gar nicht weiter entfernt sein. Denn der Bundestag entscheidet eigenständig vielfach gar nichts mehr, sondern nickt nur noch das ab, was ihm die Bundesregierung vorsetzt. Und die reicht offenbar in manchen Fällen eins zu eins das durch, was externe Berater ihr präsentieren. Irgendwie stelle ich mir parlamentarische Demokratie anders vor.
2 von 10 Kommentaren:
Juergen Fenn meinte...    Diese Praxis muß sich auf die Auslegung auswirken. Wir können nun definitiv nicht mehr davon ausgehen, daß Gesetze in Ausübung eines öffentlichen Amtes erarbeitet werden. Man muß neben den politischen Zielen der Auftraggeber auch die private Autorenschaft würdigen.Wer schrieb nochmal das SGB II? Und wer dachte sich den Gesundheitsfonds aus? 8. August 2009 22:01   

lcBifi meinte... Es wird ja noch besser, wenn man sich die ganze Presse zum Thema ansieht: Sueddeutsche.de: Das Justizministerium, von Brigitte Zypries (SPD) geführt, die ja auf diesen Seiten auch schon eingehender Kritik unterzogen wurde, scheint deutlich fähigere Mitarbeiter zu haben: Die haben nämlich festgestellt, dass der Entwurf, der angeblich vonLinklaters ausgearbeitet wurde, in den wesentlichsten Teilen identisch ist mit einem bereits im März vorgelegten Entwurf, den der Bundestagsfinanzausschuss "mit den Stimmen von CDU/CSU" verworfen habe. Und zwar nicht, weil ihnen das Papier nicht gepasst hat, auf dem der Entwurf gedruckt war, sondern weil der Entwurf gegen EU-Recht verstößt!
Es ist nach meiner Quellenlage nicht bekannt, bei welcher New Yorker Anwaltskanzlei Guttenberg gearbeitet hat (Das Guttenberg-Dossier, Teil I: Der Zögling  
http://www.zeitgeist-online.de/special24.html ). Aber der Verdacht liegt nahe, dass hier mal wieder Seilschaften funktioniert haben, die in dem angegebenen Link ausführlich erläutert werden. Überflüssig darauf hinzuweisen, dass der Herr Baron auch den ersten Entwurf des ZugErschwG übers Knie gebrochen hat, der nun wirklich ganz offensichtlich verfassungswidrig war? Die CDU hat sich übrigens in einer Pressemitteilung dafür gelobt, dass sie den ersten Entwurf, der angeblich von der SPD stamme, in ihrem Sinne korrigiert habe: Sind dann noch irgendwelche Fragen zu Guttenberg oder der CDU / CSU offen?   8. August 2009 22:32  


Das Guttenberg-Dossier, Teil I: Der Zögling  
http://www.zeitgeist-online.de/special24.html  

 

Guttenberg plant Zwangsverwaltung für Krisenbanken     05. August 2009,
http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,druck-640737,00.html         
Taumelnde Banken sollen künftig unter eine Art staatliche Zwangsverwaltung gestellt werden - das ist laut einem Zeitungsbericht der Plan von Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg. Der CSU-Politiker will auf diese Weise eine Alternative zur Verstaatlichung von Geldinstituten schaffen.
Berlin - Es wäre ein radikaler Schritt in der Finanzpolitik: Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) will von der Insolvenz bedrohte Banken künftig per Verordnung unter eine Art staatliche Zwangsverwaltung stellen. Das gehe aus einem Gesetzesentwurf seines Ressorts hervor, berichtet die "Süddeutsche Zeitung".
Auf diese Weise könne verhindert werden, dass Banken leichtfertig Risiken eingehen, weil sie sich in Krisenzeiten darauf verlassen, dass der Staat sie mit öffentlichen Mitteln stabilisiert. Damit wolle Guttenberg eine Alternative zur Not-Verstaatlichung schaffen, wie sie im Falle der Hypo Real Estate vollzogen wurde, heißt es in dem Bericht.

Den neuen Gesetzesentwurf hat das Wirtschaftsministerium nach SZ-Informationen zusammen mit einer Wirtschaftskanzlei ausgearbeitet. Laut dem Papier soll das Insolvenzrecht so weiterentwickelt werden, dass es künftig bei systemrelevanten Banken auch angewandt werden kann, wenn nicht unmittelbar ein Zusammenbruch des Finanzmarktes droht. Die gefährdeten Institute sollten mit der neuen Regelung im Fall einer drohenden Pleite stabilisiert und restrukturiert werden können.

Der Entwurf sieht zudem vor, dass die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) systemrelevante Banken unter eine sogenannte Restrukturierungsverwaltung stellt, falls diese ihre Verpflichtungen gegenüber Gläubigern nicht mehr erfüllen können.
Dazu soll die BaFin nach Zustimmung der Regierung einen Plan ausarbeiten, der eine Fortführung des Instituts gewährleistet. Laut Gesetzesentwurf ist dabei das Ziel, das Unternehmen langfristig zu stabilisieren und von staatlichen Unterstützungsmaßnahmen unabhängig zu machen. Sollte das Institut den Plan nicht umsetzen, soll die BaFin ihn mit Zwang durchsetzen können.

 

Bankenpläne des Wirtschaftsministers stoßen auf Kritik  06. August 2009   
URL:  
http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,druck-640973,00.html 
Unmittelbar vor der Bundestagswahl ist Wirtschaftsminister Guttenberg mit einem Bankenrettungsplan vorgeprescht - und hat damit großen Ärger beim Koalitionspartner ausgelöst. Obwohl der Plan kaum Chancen auf eine schnelle Verabschiedung hat, will Justizministerin Zypries nun auch noch einen eigenen Entwurf vorlegen.
Berlin - Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) hat mit seinem Vorschlag für eine zeitweise Staatsverwaltung zur Bankenrettung Ärger in der Regierungskoalition ausgelöst. Das für diesen Bereich federführende Justiz- und das Finanzministerium äußerten sich am Donnerstag befremdet, dass Guttenberg damit noch vor regierungsinternen Beratungen die Öffentlichkeit gesucht habe.
"In der gegenwärtigen Bankenkrise können wir uns Schnellschüsse dieser Art von unzuständigen Ministerien nicht leisten", sagte ein Sprecher von Justizministerin Brigitte Zypries (SPD). Das Ministerium habe erst auf Anforderung den Gesetzentwurf Guttenberg erhalten. Die Ministerin habe inzwischen in Zusammenarbeit mit Experten selbst einen Entwurf zur Rettung systemrelevanter Banken ausgearbeitet. Darin setzt sie einem Sprecher zufolge auf ein "privatautonomes Planverfahren statt staatliche Zwangsverwaltung" für von Insolvenz bedrohte Banken. "Den Entwurf werden wir innerhalb der nächsten Wochen vorstellen", kündigte der Sprecher an.
FDP-Vizefraktionschef Carl-Ludwig Thiele, dessen Partei von der Union als Partner einer künftigen Regierung bevorzugt wird, begrüßte Guttenbergs Initiative dagegen. Allerdings habe seine Partei eigene Vorschläge, sagte er. Zugleich bezeichnete er den Entwurf Guttenbergs als "schallende Ohrfeige für Finanzminister Peer Steinbrück".

Mit seinem Gesetzentwurf will Guttenberg für notleidende Banken eine Rettung jenseits von Verstaatlichung und Enteignung ermöglichen. Dabei soll der Staat bei vom Zusammenbruch bedrohten Instituten als Retter einspringen und dabei die Rechte der Alteigentümer vorübergehend außer Kraft setzen können - allerdings ohne dass diese den Eigentümerstatus verlieren. Im Entwurf heißt es, das Modell "ermöglicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), systemrelevante Institute einer Restrukturierungsverwaltung zu unterwerfen, sofern diese ohne staatliche Stabilisierungsmaßnahmen von einer Insolvenz bedroht sind". Die Grundidee hatte Guttenberg bereits im März erarbeiten lassen.
Guttenbergs Vorschlag trägt der Kritik am sogenannten Banken-Enteignungsgesetz Rechnung, das auf den Fall des Immobilienfinanzierers HRE abgezielt hatte. Nach dem neuen Modell soll die Finanzaufsicht BaFin im Ernstfall die Kontrolle einer Bank übernehmen. Der Fall würde eintreten, wenn ein Kreditinstitut seinen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen kann, ohne Eingriff des Staates eine Insolvenz droht und das Unternehmen von Bedeutung für das gesamte Bankensystem ist.
Zunächst muss dann die Bank einen Restrukturierungsplan aufzustellen, den die BaFin ändern kann und dessen Umsetzung sie überwacht. Trägt dieser Versuch keine Früchte, soll der Staat in abgestuften Schritten von Weisungen an die Geschäftsleitung über das Auswechseln von Managern bis zur zeitweiligen Suspendierung von Eigentümerrechten eingreifen. Alteigentümer sollen erst wieder Gewinnanteile erhalten, wenn die Restrukturierungskosten bezahlt sind.

Der Entwurf hat Regierungskreisen zufolge allerdings keine Chance, noch in der auslaufenden Legislaturperiode beschlossen zu werden. Er könnte aber bei Koalitionsverhandlungen nach der Bundestagswahl vom 27. September eine Rolle spielen, hieß es.



Kritiker rügen Guttenbergs Gesetz-Outsourcing    12. August 2009  von F. Gathmann
GROSSKANZLEI HILFT WIRTSCHAFTSMINISTERIUM
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,druck-641728,00.html    
"Verdächtig", "unprofessionell": Das Wirtschaftsministerium ließ erstmals ein komplettes Gesetz von einer Anwaltskanzlei schreiben - nun wird Minister Guttenberg scharf kritisiert. SPD und Grüne schimpfen über den Vorgang, ein renommierter Verwaltungsrechtler spricht von einer "Bankrotterklärung" der Politik.

Berlin - Mit maroden Banken scheint man sich bei Linklaters auszukennen: Die international tätige Großkanzlei - sie beschäftigt weit über 2000 Anwälte - beriet beispielsweise über Monate die Deutsche Industriebank IKB, zuletzt Ende Februar 2009 beim Verkauf von Kreditprodukten in Höhe von 2,6 Milliarden Euro. Die IKB hatte im Herbst 2007 vor der Zahlungsunfähigkeit gestanden. Möglicherweise haben sich aus Sicht von Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg die Linklaters-Leute gerade deshalb für die Aufgabe qualifiziert, die ihnen sein Haus im Frühjahr antrug: Das Ministerium bat die Kanzlei - nur ein paar Wochen nach dem letzten Job für die IKB - um den Entwurf für ein "Gesetz zur Ergänzung des Kreditwesengesetzes". Darin geht es im Kern darum, wie der Staat kriselnden Banken künftig helfen kann.

Inzwischen liegt der Gesetzentwurf vor - und CSU-Mann Guttenberg war davon offenbar so begeistert, dass er die Vorlage unverzüglich an seine Kabinettskollegen verschicken ließ: 28 Seiten, auf jeder davon der Linklaters-Schriftzug.Vor allem im Bundesjustizministerium staunte man nicht schlecht über das Linklaters-Gesetz, denn das Haus von SPD-Politikerin Brigitte Zypries sollte sich ebenfalls um eine entsprechende Gesetzesvorlage kümmern. Am 17. Februar war im Bundeskabinett - wegen der Schwierigkeiten bei der Enteignung der Hypo Real Estate (HRE) - ein Auftrag an die die beiden Ministerien ergangen, ein "Restrukturierungsmodell zu entwerfen, das eine nachhaltige Sicherung der Finanzmarktstabilität ermöglichen soll, und sich unterhalb der Schwelle der Enteignung bewegt".

Justizministerin Zypries jedenfalls ist sauer auf Guttenberg. Vor allem aus inhaltlichen Gründen - aber auch, weil der forsche CSU-Politiker wieder einmal ein anderes Ministerium schlecht aussehen lässt.
Viel schwerer wiegt jedoch die grundsätzliche Kritik an dem Vorgehen des Wirtschaftsministers. Die Frage ist: Warum muss ein Haus mit 1800 Mitarbeitern einen Gesetzesentwurf komplett aus der Hand geben?
"Entweder das Ministerium ist wirklich nicht in der Lage, das zu leisten - oder Guttenberg traut seinen eigenen Leuten nichts zu", sagt Wolfgang Wieland, Grünen-Bundestagsabgeordneter und ehemaliger Justizsenator Berlins. Klar sei jedoch, sagte er SPIEGEL ONLINE, "dass sich der Staat dadurch beerdigt".
Abgesehen von der grundsätzlichen Problematik sei in diesem Fall aber Folgendes nicht nachvollziehbar, findet Wieland: "Eine Kanzlei zu beauftragen, die ansonsten mit maroden Banken ihr Geld verdient, ist ungefähr so, als ob man zum Trockenlegen des Sumpfes die Frösche beauftragt." Das sei "verdächtig".

Natürlich weiß auch Wieland, dass das Outsourcing von Expertise in der öffentlichen Verwaltung nichts Neues ist. Der Grünen-Politiker erinnert sich beispielsweise daran, wie Anfang 2002 in einer Anhörung im Berliner Abgeordnetenhaus ein externer Jurist Parlamentarier-Fragen beantwortete. Die zuständige Finanz-Senatsverwaltung sei schlicht überfordert gewesen mit der Aufarbeitung der Landesbank-Affäre, sagt Wieland.

Genauso argumentiert das Bundeswirtschaftsministerium im aktuellen Fall. Zudem sei man dem Justizministerium "zwei Monate hinterhergelaufen", heißt es im Guttenberg-Haus. Nach den Problemen mit der HRE habe dringender Handlungsbedarf bestanden, der Auftrag des Kabinetts sollte demnach bis 15. Mai erfüllt sein.

Für den Berliner Verwaltungsrechtler Ulrich Battis ist das alles andere als überzeugend. "Ich sehe es als eine Bankrotterklärung des Wirtschaftsministerium, sich ein Gesetz von einer Kanzlei schreiben zu lassen", sagte er SPIEGEL ONLINE. Auch die angebliche Eilbedürftigkeit lässt Battis, Professor an der Berliner Humboldt-Universität, nicht gelten. "Das wusste doch jeder, dass dieses Gesetz vor der Bundestagswahl nicht mehr durchgeht." Natürlich gebe es den Trend zu auswärtiger Expertise, sagt Battis. Dazu zähle einerseits der immer wieder kritisierte Einsatz von sogenannten Externen in Bundesministerien, aber eben auch die zunehmende Einbindung von Kanzleien, vor allem auf Landesebene. Noch eklatanter stelle sich diese Problematik in Brüssel dar, wo viele Gesetze nicht in der EU-Kommission, sondern von angeheuerten Juristen geschrieben würden. "Aber die haben vergleichsweise viel kleinere Apparate als unsere Bundesregierung."

Auch beim Bankenrettungspaket im vergangenen Herbst und der HRE-Verstaatlichung zog die Große Koalition die Hilfe von Fachanwälten hinzu, damals aus der Großkanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer. Für den SPD-Politiker Carsten Schneider stellt der aktuelle Vorgang dennoch eine neue Qualität des Staats-Outsourcing dar. "Wenn der Minister die Vorlage einer Rechtsanwaltskanzlei unverändert als Position seines Ministeriums übernimmt, setzt er sich dem Verdacht aus, Vertreter von Lobbyinteressen zu sein", sagte er SPIEGEL ONLINE. Außerdem sei "das Vorgehen des Ministers unkollegial und unprofessionell".
"Unabhängig davon wird auch noch über die Kosten zu sprechen sein", sagt der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion.

Dazu will sich das Wirtschaftsministerium bisher nicht äußern. Bei der Vergabe sei aber alles mit rechten Dingen zugegangen, heißt es. Auch im Hause Guttenberg kennt man die "Eckpunkte für den Einsatz externer Berater durch die  Bundesverwaltung", die der Bundesrechnungshof 29. Januar 2007 erlassen hat.

Ob Karl-Theodor zu Guttenberg sein Staatsverständnis überdenken wird? Jedenfalls ist aus seinem Haus zu erfahren, dass man "grundsätzlich den Einsatz von externen Beratern überprüfen werde". Die Betonung liege dabei auf grundsätzlich.